Orlacs Hände

Die unheimlichen Hände des Doktor Orlac

Regie: Robert Wiene, Österreich, Deutschland, 1924

Österreich, Deutschland, 1924
Plakatmotiv Orlacs Hände, © Berolina-Filmproduktion GmbH., Berlin, Berolina-Filmproduktion GmbH., Berlin


Stab und Besetzung

Produktion Berolina-Filmproduktion GmbH., Berlin
Berolina-Filmproduktion GmbH., Berlin
Regisseur Robert Wiene
Drehbuch Louis Nerz
Kamera Günther Krampf
Hans Androschin
Architekt Hans Rouc
Hans Rouc
Hans Rouc
Darsteller Conrad Veidt [Pianist Paul Orlac]
Alexandra Sorina [Yvonne Orlac]
Carmen Cartellieri [Regine]
Fritz Kortner [Nera]
Paul Askonas [Diener]
Paul Askonas [Vater Orlac]

Technische Angaben
Kategorie: Langspiel Film
Technische Info: Format: 35 mm, 1:1,33 - Schwarz-Weiss Film,, 2507 Meter
Tonsystem: silent
Premiere: 24. September 1924 in Berlin, Haydn-Kino

Vorhandene Kopien: Unvollständige Kopien des Films existieren

Inhaltsangabe
Bei einem Zugunglück verliert der berühmte Konzertpianist Paul Orlac beide Hände. Um ihm das Klavierspielen weiter zu ermöglichen, transplantiert man ihm die Gliedmassen des soeben hingerichteten Raubmörders Vasseur. Operation und Heilung verlaufen reibungslos, doch als Orlac erfährt, dass er "Mörderhände" trägt, wird er von der quälenden Vorstellung heimgesucht, unter Vasseurs unheilvollem Einfluss zu stehen. Orlac droht wahnsinnig zu werden, als sein Vater tot aufgefunden wird - erstochen mit einem Dolch, der einst Vasseur gehörte und auch dessen Fingerabdrücke trägt... (3Sat Presse)

Kritiken : Orlacs Hände

«Dieser Film wirkt etwa wie eine Edgar Allen Poesche Novelle, zu der Ludwig Wolf das Schlusskapitel geschrieben hat.

Aber trotzdem man dem Publikum zu Nutz und Frommen die phantastische Handlung zum Schluss in Gefällig-Kriminalistische umgebogen hat, ist das Werk trotzdem eine Etappe auf dem Wege zum künstlerischen Film.

Aber meine Herren vom Bau: Der Zuschauer ist keineswegs so träge in der Phantasie und von so ungelenkem Intellekt, wie er in eurer Vorstellung lebt. Das Publikum geht ins Kino, aufnahmebereit, willig, sich von euch hinaufführen zu lassen in unbekannte Reiche, die es bisher noch nie geschaut. Und nun kommt ihr und macht seinem beschränktem Untertanenverstand Konzessionen, die es gar nicht verlangt, ja, die es manchmal sogar aufbegehren lässt. Denn dass ihr's wisst: Gerade der naive Zuschauer hat eine verflucht feine Nase für jeden Zynismus, der sich zu ihm herabzulassen glaubt und im Grunde nur den Mangel an Mut verhüllt, ein Sujet bis zu seinen letzten Konsequenzen zu verfolgen.

Warum muss sich dieser geheimnisvolle Unbekannte plötzlich als ein trivialer Verbrecher aus der kriminalistischen Chronik der Tageszeitungen entpuppen, nachdem der Zuschauer sich schon darauf eingerichtet hat, in ihm ein Art "Revenant" zu sehen? Und wisst ihr auch, dass ein solcher Stimmungsumschlag sogar den von euch doch mit so glühender Inbrunst ersehnten Publikumserfolg gefährden kann? Dass es hier nicht geschehen ist, dass man bis zum Schluss gebannt blieb, ist einzig der ausgezeichneten Regie von Doktor Robert Wiene zu verdanken, die auch hier noch die Albdruckstimmung des ganzen Werkes festzuhalten weiss.

Das ist das hauptsächliche Verdienst dieser Regieleistung: Dass sie die Handlung von vornherein in einen Schimmer von Irrealität taucht, die banale Frage nach der realen Möglichkeit der Vorgänge gar nicht aufkommen lässt.

Über jeder Szene liegt die Magie Poescher oder E. Th. Hoffmannscher Novellen. Diese Bilder sind in die Dämmerstimmung der Spukballade getaucht und dabei von einer nur selten aussetzenden Intensivierung im Rhythmischen. Faszinierend einige Einzelheiten, wie die Traumerscheinung des Unbekannten. Wiene gibt unter Ausschaltung aller naturalistischen Details die Essenz jeder einzelnen Situation. Dadurch bewirkt er die Transfiguration des Zuschauers.

Conrad Veidt als Orlac gestaltet das Abbild des durch ein mystisches Geschick seelisch verheerten Menschen. Suggestiv der Ausdruck des Entsetzens, wenn er durch den auf das Bett geworfenen Zettel erfährt, dass der Chirurg ihm als Ersatz für seine bei der Eisenbahnkatastrophe verstümmelten Hände die Hände eines hingerichteten Mörders angesetzt hat. Leider ist seine Mimik nicht immer frei von Bewusstheit, von der berühmten Conrad Veidt-Note, die bei ihm schon mitunter Klischee geworden ist. Seine mimischen Übergänge sind nicht immer von letzter Kontinuierlichkeit, wie bei Jannings, bei Asta Nielsen, mitunter auch bei der Negri. Manchmal springt er abrupt von einem mimischen Ausdruck zum anderen hinüber. Voll restloser Genialität dagegen ist das Spiel seiner Hände. Ihre Beredsamkeit allein ist imstande, psychische Zustände auszudrücken, das Drama einer Seele zu entwickeln. Veidt ist einer der wenigen auserwählten Menschendarsteller des deutschen Films. Desto stärker ist seine Verpflichtung, alles zu überwinden, was zur Schablonisierung seiner einmaligen künstlerischen Individualität führen könnte. (...) » (Heinz Michaelis, Film-Kurier, Nr. 28, 2.2.1925)

Orlacs Hände

Der Premierenerfolg war unbestritten stark. Conradt Veidt wurde oft gerufen; was er gab war eine ausgezeichnete Virtuosenleistung, vielleicht zu virtuos, um unter die wirklich grossen Leistungen des Künstlers eingereiht zu werden. Das Buch hat zweifellos starke filmische Qualitäten, die der Regisseur Dr. R. Wiene sehr gut herauszuholen wusste; besonders, soweit es sich darum handelte, die Stimmung des irrealen, um nicht zu sagen visionären Elementes zu treffen, das ja in dem Werke vorherrschend ist. Am Schluss kommt, als grosse Überraschung, der Umschwung aus dem Irreal-Phantastischen ins Real-Kriminelle. Die einheitlich künstlerische Linie des Werkes wird zwar dadurch gestört, doch ist kaum anzunehmen, dass dieser Schluss der Publikumswirksamkeit des Films Abbruch tun wird, eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Die Fabel: Ein berühmter Pianist hat durch ein Eisenbahnunglück beide Hände verloren. Ärztliche Kunst ersetzt sie durch diejenigen eines ungefähr gleichzeitig exekutierten Mörders. Orlac droht an dem furchtbaren Bewusstsein, Mörderhände zu tragen psychisch und physisch zugrunde zu gehen. Die Lösung: Der Exekutierte, dessen Hände Orlac trägt, war unschuldig. Die angebliche Spukerscheinung aber, die, scheinbar mit künstlichem Kopf umgehend, Orlac in Verzweiflung trieb, ist der wirkliche reale Mörder. Orlac also von seinem Bann befreit. – Den Mörder spielt Kortner, am stärksten in der galgenhumorigen Drastik der Entlarvungsszene. » (Lichtbild-Bühne, Nr. 6, 7.2.1925)

(Kritiken zitiert nach www.filmportal.de)
Anmerkungen : " Von der zeitgenössischen Kritik wurde "Orlacs Hände" fast einhellig als der wichtigste deutschsprachige Film des Jahres 1924 gefeiert. Gelobt wurde vor allem die gelungene Synthese von Phantastischem und Realem, die genaue und plausible Schilderung der psychologischen Motive und die überdurchschnittliche Leistung der Schauspieler. "Eine geniale Idee war es, den Roman Maurice Renards für Conrad Veidt, für die nervös flackernden, mienenreichen, durchgeistigten, wunderbaren Hände Conrad Veidts zu bearbeiten" (Der Tag). Der Film wurde erkannt als das, was er wirklich war: ein effektvoller, durchaus moderner Thriller mit besonderem Augenmerk auf die psychologische Entwicklung der Personen. Dass dieser hochgelobte Film nach 1945 überwiegend als missglückter, spätexpressionistischer Nachzieher des "Caligari"-Regisseurs Robert Wiene gewertet wurde, hat mit der lange Zeit unzureichenden Überlieferung des Films zu tun. Erst 1995 wurde im Belgrader Filmarchiv eine 35-Millimeter-Kopie mit den originalen deutschen Zwischentiteln entdeckt, die sich als Grundlage für eine umfassende Rekonstruktion anbot.

Die neue Musik entstand als Work-in-progress des deutsch-amerikanischen Komponisten Henning Lohner. Geschrieben ist sie für eine Quartett-Besetzung (Klarinette, Posaune, Cello und Klavier) und Live-Elektronik. Henning Lohner nimmt "Orlacs Hände" als Modell für alle Horrorfilme, die das Thema der Organtransplantation verarbeitet haben, und variiert in seiner Musik eine Reihe genretypischer Klangbilder." (3 Sat Presse)

Länge der rekonstruierten Version von 1996: 2357 m, 86 min bei 24 b/s laut FSK vom 13. März 1996

General Information

Orlacs Hände is a motion picture produced in the year 1924 as a Österreich, Deutschland production. The Film was directed by Robert Wiene, with Conrad Veidt, Alexandra Sorina, Carmen Cartellieri, Fritz Kortner, Paul Askonas, in the leading parts.

Referenzen zum Film in anderen Datenbanken:

Unter anderem wurde der Film bei folgenden Filmfestivals aufgeführt:

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