Bologna - Filmfestival 2019

Reihe: 1919

Anders als die Andern

(§ 175, Sozialhygienisches Filmwerk II), Regie:   Richard Oswald, Deutschland - 1919
Produktion: Richard Oswald-Film GmbH, Berlin - Produzent: Richard Oswald - Regisseur: Richard Oswald - Drehbuch: Richard Oswald - Magnus Hirschfeld Wissenschaftl. Beirat - Kamera: Max Fassbender - Architekt: Emil Linke - Darsteller: Karl Giese Paul Körner als Kind - Magnus Hirschfeld ein Arzt - Helga Molander Frau Hellborn - Anita Berber Else, Kurts Schwester - Wilhelm Diegelmann Kurts Vater - Ernst Pittschau Körners Schwager - Clementine Plessner Kurts Mutter - Fritz Schulz Kurt Sievers - Reinhold SchĂŒnzel Franz Bollek - Conrad Veidt Paul Körner, Violinvirtuose - Ilsa von Tasso-Lind Körners Schwester - Alexandra Wiellegh Körners Mutter - Leo Connard Körners Vater -
Inhaltsangabe : Zentrales Thema des Films ist die Debatte um § 175 StGB, der sexuelle Handlungen zwischen MĂ€nnern unter Strafe stellt. Anders als die Andern beschreibt den "tragischen Lebenslauf eines homosexuellen Opfers eines Erpressers, wie er nur im Konflikt mit dem Strafgesetzbuch möglich war" (ZT). Bereits als Jugendlicher gerĂ€t Paul Körner (Conrad Veidt) in Schwierigkeiten, da er sich zu seinem besten Freund hingezogen fĂŒhlt. Als dies entdeckt wird, muss er das Internat verlassen und beginnt ein zurĂŒckgezogenes Leben als Violinvirtuose. Als er seinen junger Bewunderer Kurt Sivers (Fritz Schulz) als LieblingsschĂŒler und Geliebten aufnimmt, scheinen Einsamkeit und Isolation ĂŒberwunden. Doch bald wird Paul vom zwielichtigen Franz Bollek (Reinhold SchĂŒnzel) wegen seiner HomosexualitĂ€t erpresst, nachdem er diesem Geld fĂŒr eine Liebesnacht geboten hatte. Verzweifelt sieht er vor seinem geistigen Auge den Zug seiner "unglĂŒcklichen Schicksalsgenossen" aus vergangenen Zeiten vorĂŒberziehen. Er konsultiert einen Sexualforscher (Magnus Hirschfeld), der ihn aufklĂ€rt, dass HomosexualitĂ€t eine "reine und edle" Veranlagung darstellen könne, die darĂŒberhinaus naturgegeben sei.
Als Körner seinen Erpreser schliesslich anzeigt, wird er selbst zu einer Haftstrafe verurteilt. Von nun an ist er gesellschaftlich geĂ€chtet, sein Liebhaber hat ihn nach Bolleks DemĂŒtigungen verlassen. Ruiniert und vereinsamt nimmt sich Paul das Leben. Der Film endet mit einem Appell Hirschfelds, in dem er sein Publikum bittet zu helfen, solche Tragödien in Zukunft unmöglich zu machen. Die letzte Einstellung zeigt den jungen Kurt Sivers, dessen Hand den § 175 aus dem Gesetzbuch wischt (nicht erhaltene Szene).

Der Geigenvirtuose Paul Körner fördert das musikalische Talent des jungen Kurt Sivers, dessen Eltern das schwĂ€rmerische VerhĂ€ltnis der beiden mit Misstrauen beobachten. Körner wird wegen seiner HomosexualitĂ€t vom Ganoven Bollek erpresst. Schließlich zeigt Körner den Erpresser an, der sich mit einer Anzeige wegen § 175 revanchiert.
In einer RĂŒckblende berichtet Körner Else, Sivers' verstĂ€ndnisvoller Schwester, seine Entwicklung und besucht mit ihr einen Vortrag von SanitĂ€tsrat Dr. Magnus Hirschfeld ĂŒber die wissenschaftlichen HintergrĂŒnde der HomosexualitĂ€t. Das Gericht schickt den Erpresser ins Zuchthaus, muss aber auch Körner wegen der Rechtslage zu einer Woche GefĂ€ngnis verurteilen. Von allen geĂ€chtet, begeht Körner Selbstmord. (www.filmportal.de
Kritiken : Anders als die andern

«Die AuffĂŒhrung vor "geladenem Publikum" war etwas wie eine Sensation. Aus zwei GrĂŒnden: erstens des Themas wegen und zweitens – des Publikums wegen. Es ist heikel, ĂŒber das alles zu schreiben, hat man bisher gesagt. (Vielleicht findet nur ein "anderer" die richtigen Töne.) Wenn man das aber sah, sagte man sich: es ist nicht heikel. Es war eine Ovation. Es wurde zur grossen Versammlung der "anderen". Die merkwĂŒrdig vielen Frauen, die vermutlich Pikanterien witterten, wurden enttĂ€uscht. In der Minderzahl, wurde man belehrt, dass man das alles nicht einmal amĂŒsant finden dĂŒrfe, geschweige denn unnatĂŒrlich oder gar verdammenswert. So war die ganze Stimmung also eine höchst – ja, ich weiss nicht, wie ich sagen soll.

Was will der Film? AufklĂ€ren – Klarheit bringen, verkĂŒndete Dr. Magnus Hirschfeld in den einleitenden Worten, die bestimmt und klar ausgingen und denen Beifall folgte. (Beifall war hier spontan.)

Über die Frage, ĂŒberhaupt ein solches Thema als Film zu wĂ€hlen, ist entschieden; man hat es gewĂ€hlt. Man will also VerstĂ€ndnis erwecken und den weitesten, allerweitesten Kreisen (Film!) sagen: seht her, versteht, lasst gewĂ€hren! Chacun Ă  son goĂ»t. (Wie bei den Frauen ja stillschweigend.) Das Motiv ist verstĂ€ndlich und nichts dagegen zu sagen.

Hier das dĂŒnkt mir mehr. Man ist vom Thema abgewichen. Man hat sich in "Leidenschaft" dazu hinreissen lassen, mehr zu tun, als eben nur ertrĂ€glich. Man sagte mehr als nur: "Lasst uns in Ruh". Man wirft sich in die Brust: da: der geistreiche Platen, der grosse Winkelmann, der berĂŒhmte Wilde. Sehr, die waren alle so! Solche Leute! (Ein kleiner Schluss: gerade die geistreichsten Leute. Also: Apothese. "Gerade".)

Es ist da eine werbende Geste. Es klingt da etwas wie Propaganda durch. Das verstimmt. (...)

Der Film ist dramaturgisch nicht gelungen, rein als Film. Nur das Thema hĂ€lt ihn. Die leisen SchwĂ€chen von "Prostitution" sind hier vergröbert, zum System gewĂ€hlt. Man "malt" immerfort. (Beispiel: das endlose Geigenspiel im 1. Akt.) Es geht nichts vor. Das ist im Film zu vermeiden, trotz allem "Literarischem". (Eine noch zu schreibende Filmdramaturgie wird es aufdecken.) Die Technik der Grossaufnahmen beherrscht Oswald erstklassig. Wenn auch Veidts Gesichtsausdruck und seine Augen unerhört fĂŒr den Film sind, auf die Dauer von sechs langen Akten "gewöhnt" man sich daran. Bei der SchlĂ€gerei (SpezialitĂ€t?) stand einer davor. Die Darsteller sind denkbar glĂŒcklich gewĂ€hlt. Reinhold SchĂŒnzel, einer unserer allerbesten Filmschauspieler, (SpezialitĂ€t: ZuhĂ€lter, Erpresser, Apache) verblĂŒfft durch Kleinigkeiten, insbesondere durchgefĂŒhrte Bewegungen, Nuanzen. Er spielt nicht, er lebt. Es geht ein Raunen durch's Publikum, wenn er erscheint. Veidts Spiel ist milieuecht durchgefĂŒhrt ("huch nein!"); stiess auf tiefgehendes VerstĂ€ndnis. Anita Berber hat man noch zu sehr von "Prostitution" im GedĂ€chtnis, dass man ihr ihre neue Rolle nicht recht glaubt. Alles ĂŒbrige war zweckentsprechend besetzt.

Wenn das von den GrenzfĂ€llen stimmt, so hĂ€tten klassisch-schöne Menschen in dem Film diesen oder jenen nachdenklich stimmen können. Hier nimmt man einen DegoĂ»t mit. Und Mitleid, dass das die "anderen" nicht auch sehen. » (B. E. LĂŒthge, Film-Kurier, Nr. 1, 31.5.1919)



Anders als die andern

«Ein heikler Film. Im Lessing-Theater am GĂ€nsemarkt wird zurzeit ein Film gegeben, der sich "Anders als die Andern" benennt und das Problem der HomosexualitĂ€t zum Vorwurf hat. Es ist am Freitag dort bei der ErstauffĂŒhrung zu einem starken Widerspruch des Publikums, ja, zu Empörungskundgebungen gekommen, und da es Pflicht der Presse ist, nach bestem Ermessen und vorsichtiger AbwĂ€gung zu der moralischen oder unmoralischen Wirkung einer Darbietung Stellung zu nehmen, wenn das öffentliche Interesse, und sei es durch einen Irrtum der Beteiligten, verletzt erscheint, so sahen wir uns gestern nachmittag den Film einmal ;an, versetzten uns ganz in den leicht verletzten geistigen Habitus eines prĂŒden Beschauers, um auch dem empfindlichsten GemĂŒt gerecht werden zu können. Wir waren demnach keineswegs objektiv, sondern wie man will, mehr oder weniger als dies. Wir hatten also ein zimperliches um das Wohl der Öffentlichkeit aufs Ă€usserste besorgtes Kriterium, und sassen da.

Wir schicken voraus: HomosexualitĂ€t ist eine in Deutschland ganz besonders unglĂŒckliche Naturanlage. Denn der § 175 verbietet sie unter schwerer, entehrender Strafe, wohl verstanden aber nur unter MĂ€nnern, nicht bei Frauen, die sicher ebenso, wenn nicht stĂ€rker, verbreitet ist als die mĂ€nnliche. Das Gesetz macht, konstruiert also ein moralisches Verbrechen, das von Natur aus als solches nicht vorhanden ist, sondern nur eine Variation der Geschlechtsveranlagung darstellt, die an sich wohl krankhaft erscheint, aber durchaus keine Krankheit ist. Niemand hat das Recht, eine AbnormitĂ€t zu bestrafen; fĂŒr die der Betroffene nichts kann, zumal der § 175 sicher mehr Unheil angerichtet hat als wenn er nicht vorhanden wĂ€re. Denn kein wirkliches, aus roher Gesinnung und MenschenunwĂŒrdigkeit entstandenes Verbrechertum ist so dem Denunziantenwesen und Erpressertum ausgesetzt wie eben die HomosexualitĂ€t. Und wenn ein Paragraph, auf dem nicht die Todesstrafe steht, zu soviel Selbstmorden trieb wie gerade dieser, so ist er unsittlich. Zudem sind Homosexuelle oft genug feingeistige Leute, denen eine körperliche AnnĂ€herung sowohl des Mannes wie des Weibes im Grunde widerlich ist, die ein höchst sensibles Seelenleben fĂŒhren und eigentlich mit ihren Leistungen schon von vornherein die Anspeiungen parieren könnten. Das weibische Getue vieler Homosexueller indessen stösst selbstverstĂ€ndlich auch uns ab, auch preisen wir hiermit keineswegs das Anormale zu ungunsten des Normalen, wir verlangen nur, dass die Ungerechtigkeit, die darin liegt, dass man eine schon als UnglĂŒck zu betrachtende Veranlagung entehrend bestraft, aus dem Gesetzbuch verschwinde.



Dies ist auch der ehrliche und, wie wir uns nach strengstem Massstab ĂŒberzeugt haben, durchaus wissenschaftliche Zweck des Films im Lessingtheater, ja wir erkennen im Gegenteil an, mit wieviel Dezenz, Takt und Haltung das Problem dort keineswegs breitgetreten, sondern ernst erörtert und sachlich wie kĂŒnstlerisch in gediegener Form einem Publikum dargeboten wird, von dem die Direktion des Lessing-Theaters den sachlich-wissenschaftlichen Anstand voraussetzt, den es in seiner Masse nicht hat, nicht haben kann. Dies ist der einzige Vorwurf, der die Leitung trifft, neben dem, dass sie letzthin unter dem weit dehnbaren Begriff der AufklĂ€rungsfilms doch manche SchlĂŒpfrigkeit mit durchgehen liess – bei welchen Gelegenheiten allerdings niemand pfiff oder sich sonstwie gegen Un- und Halbmoral "einsetzte". Uns scheint der Widerspruch gegen diesen wirklich rein wissenschaftlich gehaltenen Film, in welchem der bekannte Sexualforscher Max Hirschfeld selbst die Rolle des Arztes spielt, entspringt törichter Voreingenommenheit gegen ein solches Thema ĂŒberhaupt, einerlei, ob es dezent dargestellt wird oder nicht. Und die Furcht, es könnten Jugendliche durch diese Darbietung in abnorme GefĂŒhlswelten geraten, ist aus zwei GrĂŒnden lĂ€cherlich: erstens kann ein Film, selbst wenn er die Richtung auf das eigene Geschlecht priese (was doch gar nicht geschieht), in keinem Menschen eine Veranlagung erzeugen, die er nicht hat, zweitens wird hier das Leiden dieser abnorm FĂŒhlenden so erschĂŒtternd erwiesen, dass eine krasse Abschreckung erreicht wird, also ein nur moralischer Zweck, der von der BĂŒhne aus nicht möglich wĂ€re.

Die erste Stufe des Urteils ist die der Partei, die zweite die der Einsicht, die dritte die der Übersicht und Gerechtigkeit. Suchen wir auf der höchsten zu stehen und ĂŒberlassen wir das Geschrei nach unĂŒberlegter Moral denen, die erwiesenermassen eine unglĂŒckliche Veranlagung, die sie nicht verstehen und ablehnen, in eine Linie setzen mit der Unmoral, die sie sehr gut verstehen und nicht ablehnen ... » ( L. B., Neue Hamburger Zeitung, zit. nach Lichtbild-BĂŒhne, Nr. 36, 6.9.1919)



Anders als die andern

«Gar nĂŒtzlich sehr und angenehm Ist stets das Sexualproblem. Dem einen dient’s fĂŒr Seel‘ und Leib Zu allbeliebtem Zeitvertreib, Der andere macht, wenn es sich trefft, Damit ein glĂ€nzendes GeschĂ€ft. So leuchten denn von allen Teilen Der buntbeklebten LitfasssĂ€ulen In ganz gigantischem Formate Die allerneusten Filmplakate. Hier lockt die "Prostitution" Uns alle mit Sirenenton, Dort gibt’s fĂŒr MĂ€nner und fĂŒr Frauen "Die SĂŒnde einer Nacht" zu schauen, Hier ist gar "SĂŒnd’ges Blut" zu sehn, Doch "SĂŒndenlust" ist auch ganz schön; "Die Kupplerin" winkt in der NĂ€he, Dort lĂ€dt man uns zu " Lillis Ehe", Ich wette, ebenso gefĂ€llt’s, Besieht man sich " Venus im Pelz". Man sieht " Das mysteriöse Bett", "Das Gift im Weib" ist grad‘ so nett Und "Nach dem Mann der Schrei" nicht minder; Das "FrĂ€ulein Mutter" schreit um Kinder. Wie lieblich wirkt in diesem Tanz Der gute, alte "Myrthenkranz". NatĂŒrlich erst, wenn er zerrissen, Wie wir durch "Die VerfĂŒhrten" wissen. Daneben fĂ€llt uns auf beim Wandern Ein Drama "Anders als die Andern". Auch dies betĂ€tigt mit Genuss Sich ganz in Sexualibus. Und wenn ich sehe, wie ringsum So einstĂŒrmt auf das Publikum In wilder Flut Erotik nur Unter dem Mantel der Kultur, Denk' ich: "Wenn ich ‘nen Film nur wĂŒsst', Der 'Anders als die Andern' ist!" » (Job, Film-Kurier, Nr. 13, 20.6.1919)
// Kritiken zitiert nach www.filmportal.de


Anmerkungen: "AufklĂ€rungsfilm" ĂŒber die HomosexualitĂ€t; einige Szenen sind erhalten geblieben in dem Film "Gesetze der Liebe" von Magnus Hirschfeld, 1927


Neue Restaurierungen des Filmmuseums (MĂŒnchen):
"(...) ANDERS ALS DIE ANDERN ĂŒberlebte nur in einer ukrainischen Version einer Kurzfassung, die wiederum von der russischen Zensur gekĂŒrzt wurde. Hier hat das Filmmuseum anhand von Dokumenten, Zensurprotokollen und Standfotos die originale Fassung des Filmes wiederhergestellt, der das einzige erhaltene Beispiel der vielen AufklĂ€rungsfilme darstellt, mit denen Richard Oswald Ende der zehner Jahre bekannt wurde. - ANDERS ALS DIE ANDERN ist der erste Film der Filmgeschichte, der sich explizit mit dem Thema HomosexualitĂ€t auseinandersetzt und dementsprechend von der deutschen Zensur sofort verboten wurde. Er erzĂ€hlt die Geschichte eines Violinvirtuosen, der sich in seinen begabten SchĂŒler verliebt, aber einem Erpresser in die HĂ€nde fĂ€llt und wegen Verstosses gegen den Paragraphen 175 vor Gericht landet. Der Sexualforscher und Co-Autor Dr. Magnus Hirschfeld tritt selber auf und fordert die Abschaffung des Paragraphen 175, der Homosexuelle kriminalisiert." (Filmmuseum MĂŒnchen, 2005)



Zensur des Films

Mit ANDERS ALS DIE ANDERN hat Richard Oswald den ersten Homosexuellen-Film der Filmgeschichte geschaffen. Der Film wurde am 18.8.1920 verboten ,mit der Massgabe, dass die VorfĂŒhrung zugelassen wird vor bestimmten Personenkreisen, nĂ€mlich Ärzten und Medizinalbeflissenen, in Lehranstalten und wissenschaftlichen Instituten". Solche VorfĂŒhrungen fanden auch tatsĂ€chlich im Berliner Institut fĂŒr Sexualforschung von Magnus Hirschfeld statt.

Dass sich von Oswalds Film ĂŒberhaupt Material erhalten hat, ist einem anderen Film zu verdanken: Magnus Hirschfeld drehte 1927 einen Dokumentarfilm, GESETZE DER LIEBE, und schnitt fĂŒr die Schlussepisode eine Kurzfassung VON ANDERS ALS DIE ANDERN; zwar verlangte abermals die Zensur, genau diese Episode zu entfernen; doch hat die Passage in einer ukrainischen Exportkopie die Zensur ĂŒberlebt und gibt nun, mit einem Viertel der LĂ€nge der ursprĂŒnglichen Fassung, zumindest einen Eindruck von Richard Oswalds AufklĂ€rungs-Film, der auf einzigartige Weise kĂŒnstlerische QualitĂ€t und sozialpolitisches Engagement verbindet.

Ein Genre unter Zensur: die Sitten- oder AufklÀrungsfilme im Deutschland der Stummfilmzeit

Mit ANDERS ALS DIE ANDERN und DER EWIGE ZWEIFEL stellt ARTE zum ersten Mal im Fernsehen einen Regisseur vor, der zu seiner Zeit sehr populĂ€r und in vielen Bereichen bewandert war, Filmproduzent und KĂŒnstler in einer Person. Mit einem sicheren Instinkt fĂŒr publikumswirksame Stoffe, aber auch grosser SeriositĂ€t, drehte Richard Oswald als Pionier (siehe auch DER EWIGE ZWEIFEL S. 27) sogenannte AufklĂ€rungsfilme: Keine nĂŒchternen Lehrfilme, sondern SexualaufklĂ€rung eingebettet in eine spannende Geschichte.

Von 1916 bis 1921 entstanden u.a. ES WERDE LICHT (Teil 1-4), TAGEBUCH EINER VERLORENEN, ANDERS ALS DIE ANDERN, DIE PROSTITUTION, DIE SICH VERKAUFEN und SÜNDIGE MÜTTER. Bei jedem dieser Sittenfilme holte sich Oswald kompetente Beratung, u.a. von Magnus Hirschfeld, der ebenfalls Pionierleistungen auf dem Gebiet der SexualaufklĂ€rung leistete.

Nachdem schon wĂ€hrend des Ersten Weltkriegs Geschlechtskrankheiten ein sozialpolitisch brisantes Thema geworden waren, entstand ein grosser AufklĂ€rungsbedarf, dem verschiedene Kulturfilmer nachzukommen versuchten. Als nach dem Krieg vorĂŒbergehend die Filmzensur aufgehoben war, sprossen in der Nachfolge von Oswalds erfolgreichen AufklĂ€rungsfilme jede Menge anderer Sittenfilme aus dem Boden, die durch die Verheissung lasziver Titel auf schnellen kommerziellen Erfolg aus waren: DAS PARADIES DER DIRNEN, SKLAVEN DER LIEBE oder DER RUF DER SÜNDE. Oswald wurde von der zeitgenössischen Kritik fĂŒr diese Flut pseudo-aufklĂ€rerischer Sittenfilme immer wieder verantwortlich gemacht, obwohl seine Filme kĂŒnstlerisch weit ĂŒber dem Niveau dieser Filme lagen und er von Seiten progressiver Mediziner nachhaltige UnterstĂŒtzung erfuhr.

Zur gezeigten Fassung: Rekonstruktion im MĂŒnchner Filmmuseum


Das MĂŒnchner Filmmuseum machte sich mit Hilfe von schriftlichem SekundĂ€rmaterial, wie der erhalten gebliebenen Zensurkarte und Protokolle von Verhandlungen der Film-OberprĂŒfstelle, an eine Rekonstruktion; dabei wurden die ukrainischen Zwischentitel gegen die deutschen ausgetauscht und leichte Korrekturen im Szenenablauf vorgenommen. Damit ist die Episode in Magnus Hirschfelds Film wiederhergestellt.

Die Originalfassung war in ihrer Mischung aus inzenierten und semidokumentarischen Elementen weit komplexer; zentral ist ein Vortrag von Magnus Hirschfeld, dem Paul Körner beiwohnt, und der in einem alle Konventionen sprengenden Text von zwei Minuten Lese-LÀnge wiedergegeben wurde. Da sich alle Texte der Originalfassung erhalten haben, wÀre es möglich, eine Studienfassung zu erstellen, die mit erklÀrenden Zwischentiteln und Photos die komplexe ErzÀhlstruktur des Films nachzeichnet und seine aufklÀrerische Intention vermittelt: ,Im Mittelpunkt steht der Vortrag. Um ihn herum rankt sich eine schlichte Lebensgeschichte..." beschrieb Oswald sein ,sozial-hygienisches Filmwerk'.

Zur neuen Musik

Bernd Schultheis, der junge Komponist, der schon fĂŒr Stummfilme von RenĂ© Clair und Michael Kestesz Musiken komponierte, schrieb zu dieser Studie eines Lebens in sozialer Diskriminierung eine Musik, die Ă€usserst subtil GefĂŒhlszustĂ€nde artikuliert und die in ihrer ModernitĂ€t das zeitkritische Engagement von Richard Oswald unterstreicht. Geschrieben fĂŒr eine Trio-Besetzung
Der Film, der allgemein nur als sozialpolitisches Dokument ErwÀhnung findet, wird durch diese Musik zu einer veritablen cineastischen Entdeckung, die durch ihre konzentrierte ErzÀhlung und die grosse schauspielerische Leistung von Conrad Veidt beeindruckt. (ARTE)

Der Fall Anders als die Andern

Das Ende des ersten Weltkriegs bedeutete in Deutschland zugleich auch ein Ende der staatlichen Filmzensur. Der Bedarf nach spektakulĂ€ren Themen und riskanten Darstellungen liess den Markt fĂŒr sog. Sittenfilme boomen. Prostitution, Geschlechtskrankheiten und Drogenmissbrauch waren beliebte Sujets solcher AufklĂ€rungsfilme. In diesem liberalen Klima konnte zunĂ€chst auch Anders als die Andern, der als erster Schwulenfilm Deutschlands gilt, veröffentlicht werden. Sein Regisseur Richard Oswald und der am Drehbuch beteiligte Hirschfeld verstanden ihn als Anklage gegen den berĂŒchtigten § 175, der unbescholtene BĂŒrger kriminalisierte und hĂ€ufig in den Ruin oder Selbstmord trieb.
Magnus Hirschfeld, berĂŒhmter Sexualforscher und Verfechter einer Linie, die HomosexualitĂ€t als Naturveranlagung verstand, die nicht bestraft werden könne, hatte bereits 1897 vor dem Reichstag fĂŒr eine Abschaffung des Paragraphen plĂ€diert. In Anders als die Andern tritt er nun selbst vor die Kamera und legt seine Ansichten dar, die durch das tragische Schicksal Paul Körners dramatisch unterstrichen werden.
Der Film wird ein kommerzieller Erfolg, nicht zuletzt wegen der Kontroversen, die seine AuffĂŒhrung begleiten. 1920 wird jedoch die staatliche Filmzensur wieder eingefĂŒhrt und der Film verboten. Zur BegrĂŒndung heisst es, man versuche "aus GrĂŒnden der Volkserhaltung eine Beeinflussung gleichgeschlechtlicher Neigungen zu verhindern". Die VorfĂŒhrung ist von nun an nur noch vor einem Publikum aus "Ärzten und Medizinalbeflissenen" gestattet, unter ihnen auch Hirschfeld, der den Film an seinem Berliner Institut fĂŒr Sexualforschung zeigt.
1927 ist es wiederum Hirschfeld, der den Film der Öffentlichkeit zugĂ€nglich zu machen versucht. Er kĂŒrzt den Film von 90 auf 40 min und fĂŒgt ihn unter dem Titel "Schuldlos geĂ€chtet: Tragödie eines Homosexuellen" als Schlussepisode in seinen AufklĂ€rungsfilm Gesetze der Liebe ein. Im Oktober desselben Jahres wird auch dieser Film verboten. Die Film-OberprĂŒfstelle erklĂ€rt in ihrem Urteil, die "homosexuelle Propaganda [sei] insbesondere mit RĂŒcksicht auf die heranwachsende Jugend und die Möglichkeit, schlummerndes Sexualempfinden auf die HomosexualitĂ€t abzuleiten [...] geeignet, die Volksgesundheit zu schĂ€digen." Erst nach KĂŒrzung der Episode wird der Streifen wieder freigegeben.
1933 schliesslich wird Hirschfelds Institut fĂŒr Sexualwissenschaft von den Nazis geschlossen, die im Institut gelagerten Kopien des Films zerstört. Die Kartei seiner Patienten und UnterstĂŒtzer wird zur Todesliste vieler Homosexueller im Dritten Reich. Hirschfeld kehrt nach einem Aufenthalt in der Schweiz nie mehr nach Deutschland zurĂŒck, Regisseur Richard Oswald, Conrad Veidt und Reinhold SchĂŒnzel emigrieren ebenfalls in den folgenden Jahren. Der § 175 bleibt bis ins Jahr 1964 unverĂ€ndert bestehen und erst 1994 endgĂŒltig abgeschafft.
Lange Zeit galt Anders als die Andern als verschollen, bis 1979 eine ukrainische Exportkopie von Gesetze der Liebe gefunden wurde, in der "Schuldlos geĂ€chtet" noch enthalten war. Dieses 40-minĂŒtige Fragment ist die einzige Version des ersten deutschen Schwulenfilms, die heute erhalten ist. (StummFilmMusikTage Erlangen)

Back to God's Country

Regie:   David M. Hartford, Canada, USA - 1919
Produktion: Canadian Photoplays Ltd. - Shipman-Curwood Company - Verleih: Regal Films (England) - Film Booking Offices of America (FBO) - First National Exhibitors' Circuit - Produzent: James Oliver Curwood - Executive Producer: Ernest Shipman - Produktionsleiter: Bert van Tuyle - William Colvin - Regisseur: David M. Hartford - Regieassistent: Bert van Tuyle - Gavin Young - Kamera: Dal Clawson - Joseph Walker (AKA J.M. Walker) - Schnitt: Cyril Gardner - Darsteller: Ronald Byram Peter Burke (original casting) (/xx/) - William Colvin Mountie Shot by Rydal (/xx/) - Roy Laidlaw Baptiste LeBeau, Dolores' Father (/xx/) - Kewpie Morgan Bully in Bar Who Shoots Chinaman (/xx/) - Charles Murphy The Half-Breed (/xx/) - Wellington A. Playter Capt. Rydal (AKA Wellington Plater) - Wheeler Oakman Peter Burke - Charles Arling 'Sealskin' Blake - Nell Shipman Dolores LeBeau -

Creaking Stairs

Regie:   Rupert Julian, USA - 1919
Produktion: Universal Film Manufacturing Company - Verleih: Universal Film Manufacturing Company - Regisseur: Rupert Julian - Drehbuch: Rupert Julian - Story : Evelyn Campbell - Kamera: Edward A. Kull (AKA Ed Kull) - Darsteller: Mary MacLaren - Herbert Prior Mark Winfield - Jack Mulhall Fred Millard - Clarissa Selwynne The Buyer (as Clarissa Selwyn) - Lucretia Harris Elsie -

Dandy prend des vacances

Regie:   Georges RĂ©mond, Frankreich - 1919
Produktion: SociĂ©tĂ© Française des Films Éclair - Regisseur: Georges RĂ©mond - Darsteller: Raymond Frau Dandy - Lucienne Legrand Selika -

Der MĂ€dchenhirt

Regie:   Karl Grune, Deutschland - 1919
Produktion: KĂŒnstlerfilm GmbH, Berlin - Regisseur: Karl Grune - Drehbuch: Karl Grune - Beate Schach - Nach einer Vorlage von: Egon Erwin Kisch (novel) - Kamera: Felix Xaver - Architekt: August Rinaldi - Karl Grune - Darsteller: Friedrich KĂŒhne - Rose Liechtenstein Ilonka Sereniy - Henri Peters-Arnolds Jarda - Magnus Stifter Polizeikommissar Duschnick - Fritz Richard Chrapot, Fischer - Lotte Stein Chrapots Frau - Lo Bergner Betka Dvorak - Paul Rehkopf Albert Wessely - Franz Kneisel Anton Nowotny, genannt Der Schwarze Tony - Roma Bahn Luise Heil -
Inhaltsangabe : Der Prager Polizeikommissar Duschnitz ist illegitimer Vater eines jungen Mannes, der auf die schiefe Bahn gerĂ€t: Jaroslav Chrapot, genannt »der fesche Jarda«, verbringt seine Zeit mit kessen MĂ€dels und schweren Jungs vornehmlich auf der Kampainsel. Auch betĂ€tigt er sich als »MĂ€dchenhirt« - als ZuhĂ€lter. Um ohne MĂŒhen ein schönes Leben zu fĂŒhren, verkuppelt er sogar seine Freundin Bethka. Eines Tages schenkt die ihm verfallene TĂ€nzerin Ilona Jarda ein wertvolles Zigarettenetui, das sich nach einer Polizeirazzia als Hehlergut erweist. Beim Verhör erkennt Kommissar Duschnitz in dem VerdĂ€chtigen seinen verlorenen Sohn. Als Jarda erkrankt, wollen die MĂ€dchen nichts mehr von ihm wissen. Um an Geld zu gelangen, bricht er in die Wohnung seines Vaters ein. Doch er wird ĂŒberrascht und setzt er sich zur Wehr... (www.cinefest.de)

"Melodram um einen ZuhÀlter (MÀdchenhirten), der der verlorene Sohn eines Polizeikommissars ist. Aus Versehen tötet er seinen Vater und geht am Ende mit seiner Gebliebten ins Wasser. Ort der Handlung ist Prag." (Rolf Thissen in "Sex verklÀrt", Heyne 220)
Kritiken : "Eher unbeholfen wirkt heute die Regie in Karl Grunes Erstlingswerk, dessen einzige Faszination noch die Aussenaufnahmen von Prag sind. Die trÀge ErzÀhlweise des Films um gefallene MÀdchen und den missratenen Sohn eines Polizeikommissars lÀsst das ganze Melodram zu einem recht langweiligen Groschenroman verkommen." (lhg 2007)

Herr Arnes pengar

(Herr Arnes Schatz), Regie:   Mauritz Stiller, Schweden - 1919
Produktion: AB Svenska Biografteatern - Produzent: Charles Magnusson - Regisseur: Mauritz Stiller - Drehbuch: Mauritz Stiller - Story : Selma Lagerlöf - Kamera: Julius Jaenzon - Architekt: Harry Dahlström - Axel Esbensen - Kostümbild: Axel Esbensen - Darsteller: Richard Lind Sir Archie - Erik Stoklassa Sir Philip - Hjalmar Selander Herr Arne - Concordia Selander Arnes Frau - Wanda Rothgardt Berghild - Axel Nilsson Torarin - Gustav Aronson KapitĂ€n - Mary Johnson Elsalill - Gösta Gustafson Pfarrer - Bror Berger Sir Reginald -
Inhaltsangabe : In diesem Film, der als Höhepunkt von Stillers Schaffen angesehen wird, tritt sein besonderer dramatischer Stil ausgereift zu Tage: die Entwicklung der Figuren ordnet sich den Erfordernissen des Drehbuchs unter. Der gleichnamige Roman von Selma Lagerlöf bildete die Vorlage. Geschildert wird eine im 16. Jahrhundert spielende epische Tragödie, die von einer Verschwörung unter den schottischen Söldnern des Königs handelt. Es werden zwei Geschichten erzĂ€hlt: eine anrĂŒhrende und tragische Liebesgeschichte auf der einen und die Flucht der Verschwörer auf der anderen Seite. BerĂŒhmt geworden ist die Schlusssequenz des Films - ein Leichenzug der Frauen im Schneesturm ĂŒber das Eis.
Soldaten des schottischen Regiments von Schwedens König Johann III. (1568-1592) rebellieren. Drei Offizieren mit Sir Archie an der Spitze gelingt die Flucht aus dem GefĂ€ngnis. Nach einem langen Marsch in der KĂ€lte kommen sie, vor Hunger fast erschöpft, zum Hof des Pastors in Solberg. Der Pastor ist Besitzer eines berĂŒhmten Schatzes. Die Schotten zĂŒnden den Hof an, ermorden den Pastor und seine Familie, nehmen den Schatz an sich und flĂŒchten in die Hafenstadt Marstrand. Nur eine Tochter des Pastors, Elsalill, und der FischhĂ€ndler Torarin sind bei dem Gemetzel am Leben geblieben. Torarin nimmt Elsalill zu sich nach Marstrand. Hier begegnet sie dem reich gekleideten, schönen Sir Archie. Sie erkennt ihn nicht und verliebt sich in ihn. Archie wartet mit seinen Kameraden auf Tauwetter, damit sie mit ihrem Schiff nach Schottland fahren können. Archie liebt Elsalill, meidet sie jedoch. Sein Gewissen quĂ€lt ihn, ist er doch der Mörder ihrer Schwester. Elsalill erkennt dann doch, wer Archie ist, und obgleich sie ihn liebt, verrĂ€t sie den Stadtwachen sein Versteck. Als die Stadtwachen ihn festnehmen wollen, versucht Elsalill ihren Geliebten zu schĂŒtzen und kommt selbst dabei ums Leben. Archie und seine Kameraden werden festgenommen, und ein langer Zugvon Frauen zieht zum Schiff, um Elsalills Leichnam zu holen. (Jerzy Toeplitz, Geschichte des Films, Band I, pg 253)

«Schweden im 16. Jahrhundert: Drei AnfĂŒhrer einer Rebellion schottischer Söldner gegen König Johann III. fliehen aus der Haft, brandschatzen ein Pfarrhaus, töten alle Bewohner und versuchen, sich nach Schottland abzusetzen. Elsalill, die als Einzige den Überfall ĂŒberlebt, verliebt sich kurz darauf in Sir Archie, ohne zu wissen, dass er zur Mörderbande gehört.» (Lexikon des int. Films)

Kritiken : "Eine Ballade, mit kĂŒnstlerischer Sachlichkeit erzĂ€hlt..." (Deutsche Allgemeine Zeitung, 1921)

"Herr Arnes Pengar ist neben Berg-Eyvind und sein Weib der zweite grosse Erfolg der schwedischen Schule. Auch dieser Film hat die Geschichte einer tragischen Liebe zum Thema, nur wird sie filmisch ganz anders erzÀhlt. Stiller bettet die Geschichte von den schönen schottischen KapitÀn Sir John Archie und der Schwedin Elsalill in das Zeitbild der schwedischen Renaissance ein und stellt somit den gesellschaftlichen Bezug seiner Fabel her. Auch hatte er mit Zustimmung der Autorin die Handlung der Ballade umgebaut und sie in chronologischer Reihenfolge gezeigt. Dadurch wurden die Handlungen der Helden psychologisch besser motiviert.
Herrn Arnes Schatz ist in einem ganz anderen Tempo gehalten als Berg-Eyvind und sein Weib. Sjöström versuchte, das Seelenleben seiner Heldin vor allem durch die Mimik zum Ausdruck zu bringen. Daher neigte er zu langen, oft fast statischen Einstellungen. Stiller arbeitete mit der Montage. Den Gehalt eines Ereignisses vemittelt er dem Zuschauer in dynamischen, spannungsgeladenen Bildern. Höhepunkt des Films Herr Arnes Schatz ist die Szene, in der Sir John Archie den ausgeraubten Hof in Salburg in Brand stecken und mit dem gestohlenen KÀstchen, in dem das Kleinod (Herr Arnes Schatz) verborgen ist, fliehen. Vom benachbarten Hof, wo gerade ein Fest gefeiert wird, eilen die Leute zu Hilfe. Stiller verwendet hier die Parallelmontage. Er zeigt die fliehenden Schotten, die mit ihren Schlitten auf dem zugefrorenen See dahinjagen, und die zu Hilfe eilenden Nachbar.
Wie bei Sjöström spielt auch bei Stiller die Natur eine Hauptrolle. In den ersten Bildern schafft der Schnee die AtmospĂ€hre der Handlung. Im tragischen Finale wird das Meer zum Mitwirkenden. Im kleinen Hafen von Marstrand liegt das Schiff, das die Schotten in ihre Heimat zurĂŒckbringen soll. Es ist aber von Eisschollen eingekeilt. Ungeduldig laufen die in kostbare Pelze gehĂŒllten Schotten auf und ab und warten auf Tauwetter. Als die Situation bis zum Äussersten gespannt ist, verbreitet sich in der Stadt die Nachricht, dass die Verbrecher fliehen wollen. Im Kampf mit der Stadtwache kommt Elsalill ums Leben und Sir Archie wird gefangengenommen. Ein langer Zug graugekleideter Frauen kommt auf das Schiff, um den Leichnam Elsalills entgegenzunehmen. Dann kommt das Meer in Bewegung, das Eis birst, und das besetzte Schiff beginnt sich zu bewegen. Zu spĂ€t hatte sich das schweigende, unheilvolle Meer gemeldet.
Die beiden besten Filme der schwedischen Schule - Berg-Eyvind und sein Weib und Herrn Arnes Schatz - haben trotz des unterschiedlichen Stils und Temperaments ihrer Schöpfer vieles gemeinsam. Diese gemeinsamen Elemente machen die Eigenschaften der schwedischen Filmschule, ihre OriginalitÀt und ihren Wert aus." (Jerzy Toeplitz, Geschichte des Films, Band I, pg 244)

«Stiller erreichte seinen Höhepunkt mit Herrn Arnes Schatz. Der Schnee, der Winter, ein im Eis eingeschlossenes Schiff beherrschen das Werk. (...) Gleichgewicht und Sparsamkeit der Mittel, das ist es, was bei Stiller ins Auge fÀllt.» (Georges Sadoul: Histoire du cinéma mondial, 1949)

«Diese Geschichte einer aussichtslosen Liebe gehört zu den bewegendsten des ganzen schwedischen Kinos, und kein Tod ist ergreifender als jener von Elsalill.» (Peter Cowie, in: Le cinéma des pays nordiques, 1990)
Anmerkungen: «Schweden im 16. Jahrhundert: Drei schottische Söldner ermorden einen Pfarrer und seine Familie, die Ziehtochter entrinnt dem Mas­sa­ker. Das Trio will mit der Beute heimsegeln, aber das zugefrorene Meer hĂ€lt sie fest. Inzwischen verliebt sich das ĂŒberlebende Pflegekind in den AnfĂŒhrer der Schotten, als sie die Wahrheit entdeckt, muss sie sich zwischen Rache und Liebe entscheiden. Eine bild­gewaltige Saga, durchdrungen von spirituellen Erscheinungen und alttestamentarischen SchicksalslĂ€uften. UrsprĂŒnglich hĂ€tte Sjöström den Film inszenieren sollen, fĂŒr das Genie der eindrucksvollen Natur­tragödien sprang kongenial der Komödienspezialist Mauritz Stiller ein - und wandte sich alsbald dem ernsten Fach zu. Helfer hinter der beweglichen Kamera: Julius Jaenzon, SchlĂŒsselfigur seines Metiers im schwedischen Stummfilm. (C.H.)» (filmmuseum.at)

Regie:   Peter Lykke-Seest, NO - 1919
Regisseur: Peter Lykke-Seest - Drehbuch: Peter Lykke-Seest - Kamera: Carl Gustav SĂžderstrĂžm - Darsteller: Esben Lykke-Seest Esben - Hans Hedemark BĂ„tsmannen -

I topi grigi

(Die grauen MĂ€use), Regie:   Emilio Ghione, Italien - 1918
Produktion: Tiber Film, Roma - Regisseur: Emilio Ghione - Darsteller: Emilio Ghione Za la Mort - Kally Sambucini Za la Vie - Alberto Francis-Bertone Grigione - Nello Carotenuto Musidoro - Ida Carloni Talli La duchessa Giovanna - B Pasquali Zia Camilla - Alfredo Martinelli Leo -

Jön az öcsém

Regie:   Michael Curtiz, Ungarn - 1919
Produktion: Phönix FilmgyĂĄr Rt, Budapest - Regisseur: Michael Curtiz AKA MihĂĄly KertĂ©sz - Drehbuch: IvĂĄn SiklĂłsi - Nach einer Vorlage von: Antal Farkas Poem - Darsteller: Oscar Beregi sr. a SzibĂ©riĂĄbĂłl hazatĂ©rő fivĂ©r - The younger brother (AKA Beregi OszkĂĄr) - Lucy Doraine The woman (AKA KovĂĄcs Ilonka) - JĂłszef KĂŒrthy The elder brother (AKA KĂŒrti JĂłzsef) - Ferenc SzĂ©csi The Kid (AKA SzĂ©csi FerkĂł) -

Regie:   Dhundiraj Govind Phalke, Indien - 1919
Produktion: Hindustan Cinema Film Company - Produzent: Dhundiraj Govind Phalke - Regisseur: Dhundiraj Govind Phalke - Drehbuch: Dhundiraj Govind Phalke - Kamera: Dhundiraj Govind Phalke - Darsteller: Neelkanth - Purushottam Parchure - Yadav Gopal Takle - Narayan Pache - Mandakini Phalke Krishna -

La maschera e il volto

Regie:   Augusto Genina, Italien - 1919
Produktion: Itala Film, Torino - Verleih: Itala Film, Torino - Regisseur: Augusto Genina - Drehbuch: Luciano Doria - Nach einer Vorlage von: Luigi Chiarelli play - Kamera: Ubaldo Arata - Darsteller: Italia Almirante Manzini La moglie - Leone Papa - Ettore Piergiovanni L'avvocato - Ginette Riche - Vittorio Rossi Pianelli Il marito -

Pohornij Veri Kholodnoj

Regie:   N. N., Russland - 1918
Regisseur: N. N. - Darsteller: Vera Kholodnaja Vera Kholodnaya -

PrĂŠsidenten

(Der PrĂ€sident), Regie:   Carl Theodor Dreyer, Dänemark - 1919
Produktion: Nordisk Films Kompagni - Verleih: Fotorama, Aarhus - Regisseur: Carl Theodor Dreyer - Drehbuch: Carl Theodor Dreyer - Nach einer Vorlage von: Karl Emil Franzos novel - Kamera: Hans WaagĂž - Architekt: Carl Theodor Dreyer - Jens G. Lind - Darsteller: Carl Lauritzen Den sidste prĂŠst - Jon Iversen Weiden, Victorines senere mand - Christian Engelstoft Journalist - Axel Madsen ViceprĂŠsident Werner - Fanny Petersen Brigitta, tjenestepige hos prĂŠsidenten - Hallander Hellemann Franz, i tjeneste hos prĂŠsidenten - Carl Meyer v. Sendlingens farfar - Richard Christensen Forsvarsadvokat Georg Berger - Jacoba Jessen Maika - Olga Raphael-Linden Victorine Lippert, Karl Victors datter - Elith Pio Franz Victor v. Sendlingen, Karls far - Peter Nielsen Offentlig anklager - Betty Kirkeby Hermine Lippert, Victorines mor - Halvard Hoff Karl Victor v. Sendlingen, retsprĂŠsident -

Rosalind at Redgate

Regie:   Ruth Stonehouse, USA - 1919
Produktion: Universal Film Manufacturing Company - Verleih: Universal Film Manufacturing Company - Regisseur: Ruth Stonehouse - Drehbuch: Giles Warren (AKA Giles R. Warren) - Nach einer Vorlage von: Meredith M. Nicholson (novel) (AKA Meredith Nicholson) - Darsteller: Ruth Stonehouse Rosalind - Lawrence Peyton (as Larry Peyton) - Claire McDowell - Martha Mattox -

Seff kostet 2450 Dollar

Regie:   nicht genannt, Österreich - 1920
Produktion: Cocl-Film - Darsteller: Josef Holub Seff -

SÄngen om den eldröda blomman

(Das Lied von der glutroten Blume, Das Lied von der feuerroten Blume), Regie:   Mauritz Stiller, Schweden - 1919
Produktion: AB Svenska Biografteatern - Verleih: Svensk Filmindustri (SF) - Produzent: Charles Magnusson - Regisseur: Mauritz Stiller - Drehbuch: Mauritz Stiller - Gustaf Molander - Nach einer Vorlage von: Johannes Linnankoski Novel - Kamera: Henrik Jaenzon - Ragnar Westfeldt - Schnitt: Tom Bret - Architekt: Axel Esbensen - Set Decoration: Erik Johansson - Darsteller: Louise Fahlman Olof's Mother - Tekla Sjöblom Maid (/xx/) - Paul Hagman Timber Raft Man (/xx/) - Mona Geijer-Falkner Maid (/xx/) - Emil Fjellström CafĂ© Guest (/xx/) - Bengt Djurberg Young Man (/xx/) - Arvid Dahlberg Timber Raft Man (/xx/) - Ernst Brunman CafĂ© Guest (/xx/) - Nils Lundell Kyllikki's Fiance - Hjalmar Peters Kyllikki's Father - John Ekman Log Driving Chief - Greta Almroth Annikki - Axel Hultman Olof's Father - Olof Ås Timber Raft Man (/xx/) - Lillebil Christensen Elli - Doris Nelson Prostitute (/xx/) - Lars Hanson Olof Koskela - Edith Erastoff Kyllikki -
Anmerkungen: Der berĂŒhmte finnische Roman von Johannes Linnankoski, der die Vorlage fĂŒr diesen Film bildet, wurde insgesamt viermal verfilmt. Stiller war der erste Regisseur, den die IntensitĂ€t dieser Geschichte gefangen nahm und er suchte sich erstklassige Schauspieler, um dieses klassische Drama der unerwiderten Liebe darzustellen. In jener Szene, in der Olof sich im Spiegel mustert, sieht er zunĂ€chst sein eigenes Gesicht. Gleichzeitig aber erkennt er sein inneres Selbst. Diese raffinierte Art, die Entwicklung einer Figur darzustellen, war höchst wirkungsvoll. Auch hier spielt die nordische Natur eine bedeutende Rolle im dramatischen Geschehen. Die riskante Fahrt durch die Stromschnellen flussabwĂ€rts wurde zum Markenzeichen des schwedischen Films dieser Zeit; hier sehen wir sie in ihrer berĂŒhmtesten Version.

The red lantern

(Die rote Laterne), Regie:   Albert Capellani, USA - 1919
Produktion: Nazimova Productions, Inc. - Metro Pictures Corporation - Verleih: Metro Pictures Corporation - Produzent: Alla Nazimova - Richard A. Rowland - Maxwell Karger - Regisseur: Albert Capellani - Drehbuch: June Mathis - Albert Capellani - Nach einer Vorlage von: Edith Wherry novel - Kamera: Tony Gaudio - Eugene Gaudio - Zweite Kamera: Robert Kurrle - John Arnold - William Fildew - Arthur Martinelli - Micky Maguire - Rudolph J. Bergquist --??-- - Charles Fuhr - Architekt: Henri Menessier - Darsteller: Yukio Ao Yamo Sing - Mary van Ness Mrs. Templeton - Anna May Wong /xx/ - Virginia Ross Luang-Ma - Harry Mann Chung - Henry Kolker - Winter Hall Rev. Alex Templeton - Dagmar Godwosky - Darrell Foss Andrew Templeton - Reginald Denny - Frank Currier Sir Philip Sackville - Edward Connelly General Jung-Lu - Charles Bryant - Noah Beery Dr. Sam Wang - Margaret McWade Mme. Ling (AKA Mrs. McWade) (-??-) - Alla Nazimova Mahlee / Blanche Sackville (AKA Nazimova) -

To nadjezhda, to revnost slepaja

Regie:   Jakov Protazanov, Russland - 1919
Produktion: Tovarishchestvo I. Jermoljeva - Regisseur: Jakov Protazanov - Kamera: Fjodor Burgasov (AKA Федот Бурга - Architekt: Aleksandr Loshakov - Darsteller: Nikolas Rimskij - Vladimir Gajdarov - Olga Juzhakova -

Tötet nicht mehr

(Misericordia), Regie:   Lupu Pick, Deutschland - 1919
Produktion: Ibaco-Film (--??--) - Rex-Film AG, Berlin - Produzent: Lupu Pick - Regisseur: Lupu Pick - Regieassistent: Josef Searle - Drehbuch: Gerhard Lamprecht - Lupu Pick - Kamera: Ivar Petersen - Architekt: Willi A. Herrmann - Maskenbildner: Richard Timm - Darsteller: Johannes Riemann Sohn BrĂŒckner - Edith Posca Karin Paulsen (Tochter - Lupu Pick Erik Paulsen (Musiker) - Albert Patry Staatsanwalt BrĂŒckner - Fritz Schulz - Eduard Rothauser Jurist Landt - Bernhard Goetzke - Rudolf Klein-Rohden - Emilie Kurz - Paul Biensfeldt - Paul Rehkopf -

Bologna Filmfestival 2019 Program

Sorry, we actually have no further information on the 2019 Bologna Filmfestival.